Existenzbeweis trifft Stochastik

Diese Woche habe ich eine verblüffende und elegante Sache in meiner Nebenfachvorlesung gelernt. Die Aufgabe:

Insgesamt 12% der Oberfläche einer Kugel ist schwarz (und bildet eine Borelmenge), und der Rest ist weiß. Gibt es einen einbeschriebenen Würfel, dessen Ecken allesamt weiß sind?

Ich weiß nicht, wie es Anderen geht, aber Übungsgruppe nebst -leiter haben erstmal etwas planlos reagiert. Mit einem analytischen Ansatz wird man sich vermutlich das Hirn verdrehen; zum Glück war aber ein Hinweis auf Erdös’ probabilistische Methode gegeben: Um die Existenz eines Element zu beweisen, genügt es, eine positive Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, ein solches zu erhalten, wenn man aus dem Grundraum zufällig ein Element wählt. A posteriori klar.

Was haben wir uns viele Gedanken gemacht. Klar ist, dass die acht nötigen Punkte nicht unabhängig zufällig wählbar sind. Spätestens drei (passend) gewählte Punkte legen die übrigen eindeutig fest. Kann man beschreiben, wie sie voneinander abhängen? Wenn man einen oder zwei Punkte festhält, was für Schlüsse kann man ziehen?
Antwort: Keine. Wir zumindest nicht.

Die Lösung war nun fast schon enttäuschend einfach, daher verblüffend und elegant. Seien also

$$S_k := \text{Ereignis, dass k-te Wuerfelecke schwarz}$$
$$W_k := \text{Ereignis, dass k-te Wuerfelecke weiss}$$

Klar ist, dass für einen zufällig gewählten Punkt auf der Kugel die Wahrscheinlichkeit, dass er schwarz ist, gerade

$$P\left(X \text{ schwarz}\right) = \frac{12}{100}$$

ist. Wir suchen nun die Wahrscheinlichkeit, dass alle Würfelecken weiß sind, also

$$P\left(\bigcap\limits^{8}_{i=1} W_k\right) = 1 – P\left(\bigcup\limits^{8}_{i=1}S_k\right)$$

Gut, hier sind wir immerhin schon darauf gekommen, uns das Gegenereignis anzuschauen, was uns den Schnitt vom Hals schafft. Das ist nicht weiter spektakulär, denn hier sind die komplizierten Abhängigkeiten der Punkte immer noch drin. Wegen der -Subadditivität der zugrundeliegenden Borel--Algebra (Kugeloberfläche als Grundraum; nach Voraussetzung ist der schwarze Anteil eine Borelmenge!) folgt aber, dass

$$1 – P\left(\bigcup\limits^{8}_{i=1}S_k\right) \geq 1 – \sum\limits^{8}_{i=1}P\left(S_k\right) = \frac{4}{100} > 0$$

Womit wir, den Hinweis auf Erdös nutzend, das zu Zeigende gezeigt haben. Diese Beweistechnik muss ich mir auf jeden Fall merken.
Der Beweis klappt nun leider für 13% Schwarzfärbung so nicht mehr. Das kommt dann vermutlich auf dem nächsten Übungsblatt. Oder in der Prüfung.

Schönes Statement auch in der entsprechenden Vorlesung, sinngemäß:

“Der Beweis modulo gewisser Formalitäten liefert immerhin noch eine anschauliche Heuristik, die hier genügen soll.”

Warum nur reagieren Dozenten immer so gepresst, wenn man in der Klausur so argumentieren möchte?

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