An den Bedürfnissen vorbei

Die Qualität der Lehre hängt, behaupte ich, im Wesentlichen von drei Faktoren ab: personelle  Ausstattung, das heißt Anzahl der Lehrenden, deren Motivation zum Lehren und (in unserem Fall nachrangig) die Austattung mit Sachmitteln. Würde man Maße für diese Faktoren finden und normieren, würde sich die Qualität wohl am Minimum der drei Werte orientieren.

Nun ist es leider so, dass an unserem Fachbereich die Arbeitsgruppen personell hoffnungslos unterbesetzt sind. Kommen im bundesdeutschen Schnitt knappe vier Landesstellen auf einen Professor¹, so ist es bei uns gerade etwas mehr als eine. Ein Doktorand, der die Arbeit einer ganzen Stelle auf einer Dreiviertelstelle erledigen soll, kann sicher nicht mehr als die Betreuung einer Vorlesung pro Semester leisten, und selbst dabei kommt seine eigene (Forschungs)Arbeit oft zu kurz. Das heißt, dass Andere bei der Lehre aushelfen müssen, also Stipendiaten oder durch Drittmittel finanzierte Stellen – die eigentlich ihre gesamte Zeit auf ihre Forschung verwenden dürfen sollen.

Die Menge der Mittel, die dem Fachbereich für Lehre zugehen, errechnet sich im Wesentlichen aus den Studentenzahlen. Dass der Personalaufwand an festen Stellen im Wesentlichen mit der Anzahl der zu betreuenden Vorlesungen skaliert, wird offenbar nicht erkannt. Durch die Breite unseres Studiengangs haben wir viele Vorlesungen zu halten und zu betreuen – unabhängig davon, ob 200 oder 500 Studenten eingeschrieben sind. Die Konsequenz, die der Fachbereich in seiner Not daraus ziehen muss, ist mit möglichst wenig Vorlesungen möglichst viele Studenten für den Standort zu gewinnen. Nur so kann ich mir erklären, warum wir einen Bachelorstudiengang Angewandte Informatik einführen. Er enthält zwar hauptsächlich Veranstaltungen aus dem herkömmlichen Bachelor und aus anderen Fächern, aber die Betreuung der neu geschaffenen Veranstaltungen ist bisher ungeklärt. Man hofft wohl, dass man mit dem neuen Studiengang eine neue, große Zielgruppe bedienen kann und die Studentenzahlen schnell steigen, womit dann genügend Mittel für die Betreuung zur Verfügung stünden. Die Krux daran ist, dass der Fachbereich hier in Vorleistung treten muss, um den vielleicht durch die Wirtschaft inspirierten Wachstumsgedanken der Bildungspolitiker zu befriedigen, bevor er dann das Geld bekommt,  mit dem er dieses Wachstum auch tragen kann.

Wir haben das Glück, dass wir anscheinend genügend Mitarbeiter und Professoren haben, die so motiviert sind, gute Lehre zu machen, dass sie die widrigen Umstände hinnehmen und sich sogar außerhalb ihrer Verträge engagieren. Daher bekommen wir als Studenten kaum mit, dass ein Mangel vorliegt, und empfinden die Lehre nach wie vor als gut². Das ist an sich schon ein großes Lob an unsere Lehrenden. Das System ist aber sehr fragil: Fehlt einmal einem Mitarbeiter die Lust, sich außerhalb seines Vertrags in der Lehre zu engagieren oder findet sich einer zu wenig, der einen Vertrag unterschreibt, der ihn zu Lehre verpflichtet, kann ganz schnell eine Vorlesung nicht betreut werden. Den Professoren und Mitarbeitern, die auch mal nein sagen, kann man das nicht verübeln, schließlich entscheidet man sich ja in der Regel für eine universitäre Laufbahn, weil man dort frei forschen kann – oder können sollte.

Das Kultusministerium macht keine spürbaren Anstalten, an den personellen Zuständen etwas zu ändern, zumindest nicht in die richtige Richtung. Statt längerfristig Gelder für Stellen zur Verfügung zu stellen, werden punktuell medienwirksame Sonderzahlungen inszeniert. So gibt es in diesem Jahr für die Universität einen kleinen Millionenbetrag unter dem Titel Reinvest Lehre 2009. Davon erhält unser Fachbereich immerhin 200.000€. Diese Mittel dürfen aber ausschließlich für Sachmittel eingesetzt werden – dies ist an unserem Fachbereich aber gar nicht der Engpass. Hier wird uns wohl zum Verhängnis, dass anscheinend alle Fachbereiche über einen Kamm geschoren werden, denn Fachbereiche mit teurer Laborausstattung (etwa Biologie, Chemie, Maschinenbau oder Physik) können davon sehr wohl profitieren. Eine andere potentiell schöne Sache ist die diesjährige Initiative für Exzellenz in der Lehre³. Allerdings wird für die Bewerbung um die ausgeschriebenen Mittel (immerhin insgesamt 10.000.000€ für zehn Hochschulen) eine Liste von Projekten, die man im Gewinnfall mit diesen Mitteln umzusetzen gedenkt, erwartet. Das ist schön und gut, kann aber den Erhalt der permanent gefährdeten grundständigen Lehre an unserer Universität nicht sichern.

Ich frage mich, ob den für unsere Knappheit verantwortlichen Politikern klar ist, dass ihre eigenen (fragwürdigen) Ziele, nämlich möglichst viele hoch qualifizierte Absolventen für Industrie und Wissenschaft zu produzieren, durch ihre eigene Politik extrem gefährdet sind. Um auf hoher Qualität zu Lehren braucht es motivierte, hochqualifizierte Lehrer. Zur Zeit wird alles getan, um motivierte Leute zur demotivieren und hochqualifizierte Leute davon abzuschrecken, nach ihrem Diplom oder Master an der Universtität zu bleiben.


¹ Forschung & Lehre, Ausgabe 6|09, S. 430
² Siehe dazu die Vorlesungsumfragen sowie Lehrpreise
³ Wettbewerb exzellente Lehre

5 Comments.

  1. Sehr schön, ich hoffe, der Blog verschwindet nicht einfach so in der Versenkung, sondern bewirkt etwas, und sei es nur die Motivation und das Aufraffen weiterer Betroffener.
    lg

  2. Das hoffe ich auch :)

  3. Hm, lass dich von Günther aggregieren, der Planet kann solche Beiträge gebrauchen ;-)
    Comment folgt dann morgen… ;-)

  4. Jupp, aggregiert.

    Gruss aus München,
    Günther

  5. Sandro Scherzim

    Super Idee