Deutsche Straßenbeschaupanik


Des Deutschen Raum 101 (Uri Sharf)

Derzeit versucht sich ein Teil der deutschen Bevölkerung gegen den Start von Google Street View in Deutschland zu wehren. Googles Vorhaben ist offenbar vollkommen legal, viele Bürger fürchten aber den Verlust ihrer Privatsphäre und Daten. Auch wird Angst vor gierigen Profilern geschürt, die anhand der abgebildeten Häuserfassaden Kredit- oder Ausraubewürdigkeit bemessen könnten.

Diese Ängste scheinen ein rein deutsches Phänomen zu sein. In den USA läuft der Dienst seit drei Jahren, in anderen europäischen Ländern startet er auch demnächst, zum Beispiel in Schweden. Dort Ansässige wundern sich über unser Gequengel, zumal einheimische Firmen längst mit entsprechenden Angeboten auf dem Markt sind.

Wie kommen Menschen darauf, dass Dinge, die jeder Passant vom Gehweg aus sehen kann, Teil ihrer Privatsphäre seien? Wer sich nackt in der einsehbaren Küche räkeln oder kompromittierende Plakate ins Fenster hängen muss, der ist selbst schuld. Wenn ich nicht gesehen werden will, installiere ich Vorhänge und lasse die Hecke wachsen. Ängste bezüglich Datensammlung finde ich auch verfehlt; zum Einen wird Street View auf absehbare Zeit nur in großen Städten laufen, zum Anderen hat Google selbst doch zunächst gar keine Personendaten zu den Häusern, Andere haben keinen effizienten Zugriff auf die Bilddaten. Und: solche Profile gibt es längst. Das ist natürlich kein gutes Argument, aber die Straßenzugsbilder von Google werden in wenigen Jahren so veraltet wie die bei Google Maps — in Kaiserslautern fehlt etwa das IESE, das schon etliche Jahre steht — und damit für Profiler vollkommen uninteressant sein.


Duale Karten- und Straßenansicht bei kartor.eniro.se

Ich persönlich finde die Idee von Street View ziemlich interessant. Ich habe jüngst meinen Arbeitsplatz für das nächste Jahr und potentielle Wohnorte in Göteborg mithilfe der oben indirekt verlinkten Dienste ausgespäht und konnte mich optisch orientieren, ohne je in der Stadt gewesen zu sein. Routenplanungen können demnächst mit Bildern aus Sicht des Fahrers angereichert werden — sehr wertvoll, wenn man an einer der vielen Kreuzungen abbiegen soll, die nicht mit einem Straßenschild gesegnet ist.

Was soll also die Aufregung, wo kommt sie her? Ich wage ja zu behaupten, dass die Entrüstung gar nicht so groß ist, wie man dank der Medien glauben mag. Denn sonst müsste auf jedem einzelnen von Google geschossenen Bild jemand ein großes Schild mit der Aufschrift “Google go home” in die Höhe halten. Aber nein: der Protest kommt erst zwei Jahre nach Beginn der Aufnahmen. Zu langsam reagiert? Oder doch nur ein Hype, um von ernsten Problemen abzulenken?

1 Comments.

  1. Der Hype kommt von.. den Medien (welch Überraschung!). Es wundert nicht großartig, dass diese anstatt Aufklärung zu betreiben, Interviews entrüsteter Mitbürger veröffentlichen (die großteils den Glauben besitzen, es handle sich um Livestreams).

    lg