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Wehrpflicht oder nicht?

Werbecollage der Bundeswehr

Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg will die Bundeswehr reformieren, was nun schon seit 20 Jahren überfällig ist. Dazu gehört auch, über die Wehrpflicht nachzudenken. Im Kontext ist oft von der sogenannten Wehrgerechtigkeit die Rede, also der Idee, dass alle jungen Männer irgendwie gleichartig behandelt werden oder zumindest die gleichen Chancen haben sollten. Tatsächlich taucht im Grundgesetz, Artikel 12, dieser Begriff nicht mal umschrieben auf. Dort steht wörtlich

(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.

Es gibt also eine Instanz, die entscheidet, ob eine gegebene Person Dienst ableisten muss, und je nach Auslegung sogar, welchen Dienst. Willkür in dem Sinne, dass es keine verbindlichen Auswahlkriterien gibt, ist hier zunächst zugelassen. Den Anspruch auf Wehrgerechtigkeit kann man aber durchaus pragmatisch begründen. Die Politik bemüht sich, mehr Akademiker schneller auszubilden, es werden aber (gefühlt) bevorzugt Abiturienten eingezogen. Zahlreiche Männer leisten überhaupt keinen Dienst ab und haben damit (vermeintlich) Vorteile im Werdegang. Aktive Leistungssportler, die mal einen Kreuzbandriss hatten, werden ausgemustert, Unsportliche als tauglich erklärt. Diese Liste könnte man vermutlich fortsetzen; auf jeden Fall gehen diese Szenarien dem allgemeinen Gerechtigkeits- und damit Rechtsverständnis entgegen. Einige Zahlen und Texte zum Thema finden sich hier. Man kann sich außerdem auf das Gleichheitsgebot im Grundgesetz oder sogar gerichtliche Urteile stützen. Read more »

Erhabene Informatik

Wir reden oft über das Bild der Informatik, das viele Menschen haben oder besser nicht haben. Wir können nicht genau bestimmen, woher die vielen Missverständnisse rühren oder wie man sie ausräumen kann. In der Dezemberausgabe 2009 des Informatik Spektrum adressiert Gunter Dueck in seiner Kolumne Das Erhabene, die Sterne und die Informatik ähnliche Fragen im Kontext der Astronomie:

Das muss das Erhabene des Weltalls sein, das mich auch oft erfasst. Und natürlich blitzt sofort die Assoziation zu Immanuel Kant auf, der alles in erhabene Worte fasste:
“Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je älter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.”
Bei Informatik ist das irgendwie anders, oder? Und in der Mathematik auch. Dort ist nie dieser heilige Schauer zu spüren, wohl aber immer wieder das Gefühl überirdischer Schönheit – für die man allerdings oft einen speziellen Sinn braucht. Welchen Sinn “befriedigt” Informatik? Hat sie je darüber nachgedacht?

Wer in den Himmel sieht, fängt an zu träumen.

Er schreibt noch über die Erhabenheit der Astronomie, die Schönheit der Mathematik und stellt die Frage, warum es keine positive Belegung der Informatik gibt. Gerade im Kontext des Hefts, wo es um Informatik als Hilfswissenschaft für Astronomen und Astrophysiker geht, ist diese Frage überaus angebracht. Mir sagte ein Astrophysiker mal: “Informatik brauchen wir nicht, programmieren können wir selber!” Ich konnte ihm nicht klarmachen, wie widersprüchlich seine Aussage ist. Read more »

Der Begriff Musik

Jüngst führte ich eine Diskussion über den Begriff der Musik. Meine Gesprächspartnerin wollte gerne so etwas als Musik verstanden haben, was ich mit meiner Vorstellung von Musik nicht vereinbaren kann. Ich wies darauf hin, dass durchaus die genaue Formulierung der jeweiligen Definition wichtig ist. Da uns die doch sehr vage Formulierung in der Allmutter der Pseudoquellen nicht weiter half, wurde ich noch kurz vor Ende des Gesprächs als engstirnig bezeichnet und alle Sachlichkeit war dahin. Mein Problem mit der Definition von Wikipedia und der vieler Menschen ist, dass sie zu liberal sind. Wo zieht man die Grenze zwischen kreativem Schaffen und Zufall auf der einen beziehungsweise Algorithmus auf der anderen Seite?

Ich befürchte, dass solche Definitionen, die zum Beispiel elektronische Musik wie die oben Verlinkte  einschließen, auch algorithmisch erzeugte Tonfolgen als Musik bezeichnet. Musik ist für mich etwas Handgemachtes oder zumindest von Hand Machbares und einem kreativen Prozess entsprungen. Das Tippverhalten auf einer Tastatur zu vertonen fiele da nicht rein, genausowenig das Ergebnis eines deterministischen Algorithmus’. Dass diese meine Definition auch Probleme machen kann, fällt spätestens auf, wenn man sich zum Beispiel die Lexikon-Sonate oder ad lib ido anhört, die ich nicht als Musik bezeichnen kann, aber ein angenehmeres Hörerlebnis als mancher Inhalt der Charts liefern, die zu meiner Definition passen.

Ich möchte einwerfen, dass auch der Begriff handgemacht durchaus liberal zu handhaben ist. Ich bin zum Beispiel geneigt, Apparate wie diesen oder jenen als Instrument und das klangliche Erzeugnis somit als Musik zu bezeichnen. Andererseits könnte man sie auch nur als haptische Programmieroberfläche verstehen, womit der Klang dann algorithmisch und keine Musik wäre. Hier verschwimmt sicher die Grenze, da die Programmierschnittstellen unter Umständen ähnliche kontinuierliche Verwaltung wie ein herkömmliches Musikinstrument benötigen.

Auf der anderen Seite bleibt abzuwägen, ob Klang noch signifikant ist. Ich meine hier in gewisser Weise stochastische Signifikanz, soll heißen: Spielt man eine wie auch immer zufällig erzeugte Klangfolge und ein (meinetwegen modernes) Klavierstück ab, erkennt man einen wesentlichen qualitativen Unterschied? Wie chaotisch darf ein Erzeugnis sein, um noch Musik zu sein?

Ich tendiere dazu, eine Undefinierbarkeit der Begrifflichkeiten zu postulieren und jegliches Gespräch über Musik als Meinungsaustausch, nicht als Diskussion zu bewerten. Ich freue mich aber auf die sicherlich (hoffentlich?) eintreffenden Kommentare zum Thema, vielleicht hat ja jemand eine Lösung.