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Zum Fall Sarrazin und Integration

Thilo Sarrazin vor dem Titel seines neuen Buches (n24)

Ende August hat Thilo Sarrazin das Buch Deutschland schafft sich ab veröffentlicht. Durch sämtliche Medien zog schon vor der Veröffentlichung und zieht seitdem ein Sturm der Entrüstung, wie ich ihn in Deutschland lange nicht wahrgenommen habe. Menschen, die selbst nur kontextfreie Zitate aus den Medien kennen, maßen sich Kritik Vorwürfe an, die ich weder inhaltlich noch methodisch oder gar stilistisch für geeignet halte. Da wird der Straftatsbestand der Volksverhetzung in den Mund genommen, abwechselnd die Nazi- und Moralkeule geschwungen und Faktenignoranz betrieben.

Bei einigen Gruppen kann ich die automatische, panikartige, fast schon fanatische Ablehnung der Sarrazinschen Thesen verstehen, wenn auch nicht akzeptieren. Politiker können nicht zugeben, dass er Recht haben mag, da sie sonst das Versagen ihrer selbst zugeben müssten. Linke sehen Widersprüche mit ihrem Weltbild, das auf postulierter Gleichheit beruht. Beide Gruppen beeinflussen stark die Darstellungen der Medien, womit man schnell den Eindruck bekommen könnte, das ganze Land sei entsetzt über Sarrazins angeblichen Frevel. Tatsächlich scheinen viele Bürger ihm aber zumindest unter Vorbehalten zuzustimmen, siehe zum Beispiel hier. Read more »

Deutsche Straßenbeschaupanik


Des Deutschen Raum 101 (Uri Sharf)

Derzeit versucht sich ein Teil der deutschen Bevölkerung gegen den Start von Google Street View in Deutschland zu wehren. Googles Vorhaben ist offenbar vollkommen legal, viele Bürger fürchten aber den Verlust ihrer Privatsphäre und Daten. Auch wird Angst vor gierigen Profilern geschürt, die anhand der abgebildeten Häuserfassaden Kredit- oder Ausraubewürdigkeit bemessen könnten.

Diese Ängste scheinen ein rein deutsches Phänomen zu sein. In den USA läuft der Dienst seit drei Jahren, in anderen europäischen Ländern startet er auch demnächst, zum Beispiel in Schweden. Dort Ansässige wundern sich über unser Gequengel, zumal einheimische Firmen längst mit entsprechenden Angeboten auf dem Markt sind.

Wie kommen Menschen darauf, dass Dinge, die jeder Passant vom Gehweg aus sehen kann, Teil ihrer Privatsphäre seien? Wer sich nackt in der einsehbaren Küche räkeln oder kompromittierende Plakate ins Fenster hängen muss, der ist selbst schuld. Wenn ich nicht gesehen werden will, installiere ich Vorhänge und lasse die Hecke wachsen. Ängste bezüglich Datensammlung finde ich auch verfehlt; zum Einen wird Street View auf absehbare Zeit nur in großen Städten laufen, zum Anderen hat Google selbst doch zunächst gar keine Personendaten zu den Häusern, Andere haben keinen effizienten Zugriff auf die Bilddaten. Und: solche Profile gibt es längst. Das ist natürlich kein gutes Argument, aber die Straßenzugsbilder von Google werden in wenigen Jahren so veraltet wie die bei Google Maps — in Kaiserslautern fehlt etwa das IESE, das schon etliche Jahre steht — und damit für Profiler vollkommen uninteressant sein.


Duale Karten- und Straßenansicht bei kartor.eniro.se

Ich persönlich finde die Idee von Street View ziemlich interessant. Ich habe jüngst meinen Arbeitsplatz für das nächste Jahr und potentielle Wohnorte in Göteborg mithilfe der oben indirekt verlinkten Dienste ausgespäht und konnte mich optisch orientieren, ohne je in der Stadt gewesen zu sein. Routenplanungen können demnächst mit Bildern aus Sicht des Fahrers angereichert werden — sehr wertvoll, wenn man an einer der vielen Kreuzungen abbiegen soll, die nicht mit einem Straßenschild gesegnet ist.

Was soll also die Aufregung, wo kommt sie her? Ich wage ja zu behaupten, dass die Entrüstung gar nicht so groß ist, wie man dank der Medien glauben mag. Denn sonst müsste auf jedem einzelnen von Google geschossenen Bild jemand ein großes Schild mit der Aufschrift “Google go home” in die Höhe halten. Aber nein: der Protest kommt erst zwei Jahre nach Beginn der Aufnahmen. Zu langsam reagiert? Oder doch nur ein Hype, um von ernsten Problemen abzulenken?