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Popularität geht über Inhalt

Die ohnehin wunderbar und bitterbös satirische Seite theonion.com hat heute eine herrliche Überspitzung des Vorgangs veröffentlicht, bei dem Talkshowgäste jede Form von Menschen- und Sachverstand über Bord werfen, um populär und beliebt zu sein. Nur muss der Experte von morgen nicht mehr auf die nächste Sonntagsfrage warten, um mühselig seine Öffentlichkeitsarbeit neu abzustimmen, sondern bekommt seinen ganz aktuellen BILDfaktor noch während er redet aufgezeigt und kann so ganz aktuell an seinem Ansehen arbeiten. Seht selbst:


New Live Poll Allows Pundits To Pander To Viewers In Real Time

Rote Karte für Rot-Rot

Als Bürger des Landes Hessen im Exil habe ich zwar nicht übermäßig intensiv, aber doch mit fatalistischem Interesse dem Geschehen nach den jüngsten Landtagswahlen zugelesen. Die Vorstellung, dass meine Heimat demnächst von einem Gespann aus Rot-Grün mit Kitt von Dunkelrot “regiert” werden sollte, hat mich tief verstört. Fast noch verstörender war, dass sich kaum jemand aus dem eigenen Lager öffentlich gegen die Linie der Andrea Ypsilanti stellte. Sogar die Bundesabteilung der SPD duldete den Schulterschluss mit Extremen und damit den fundamentalsten aller Wortbrüche. Die Motivation für diese unglaubliche Sturheit von Frau und Partei kann ich nicht ermessen. War es Machtgier, Dummheit oder einfach nur Blindheit? Ich weiß es nicht.
Letzte Woche jedenfalls war es so weit, Frau Ypsilanti stellte die Vertrauensfrage und verlor. Ob die Gegenstimmen aus Gewissen und Pflichtgefühl den Wählern gegenüber oder aus Lust auf Rampenlicht erwuchsen, mag ich nicht zu ermessen, tendiere aber optimistisch zu Ersterem. Deshalb sage ich ganz persönlich:

Danke, Carmen Everts und Dagmar Metzger. Danke, Silke Tesch und Jürgen Walter.

Danke, dass Sie das drohende Desaster und Armutszeugnis einer Partei und letztenendes vielleicht sogar eines Systems verhindert haben. Danke, dass Sie nun als “Abweichler” in einer Abstimmung den Kopf und womöglich Ihr Parteibuch hinhalten, die viel deutlicher hätte ausfallen und Dafürstimmer als Abweichler hätte dastehen lassen müssen. Danke, dass Sie mir mein Restvertrauen in deutsche Politiker erhalten. Schade, dass Sie nun Ihre Ämter niederlegen. Da zeigt mal jemand Rückrat, und schon ist er weg.
Ein besonderer Dank ergeht an Frau Metzger, die schon seit Monaten für ihre Überzeugung öffentlich einsteht und dafür mit Dreck beworfen wurde. Wer weiß, ob es nun Abweichler gegeben hätte, wären Sie zwischenzeitig eingeknickt. Sie haben als Mensch meinen vollsten Respekt erworben. Das mag nicht viel sein, da ich recht unwesentlich bin und wir uns nicht persönlich kennen, aber das schaffen die Wenigsten Ihrer Zunft.

Übrigens steht anscheinend der Parteiausschluss für die vier Gewissenhaften im Raum. Ich hoffe, man macht sich in der SPD die Konsequenzen einer solchen Handlung bewusst. Bisher waren letztlich nur Individuen am Werk: Frau Ypsilanti und ihr Dunstkreis, Abgeordnete, Einzelpersonen. Wenn aber nun Abgeordnete für die Erfüllung ihrer Pflicht aus der SPD verbannt werden, wird nicht nur gegen Artikel 95 der Hessischen Verfassung verstoßen (das ist ja heute fast schon Mode; die Bundesparteispitze der SPD, in Person des Herrn Müntefering, verstößt regelmäßig gegen einen entsprechenden Artikel im Grundgesetz), sondern auch ganz klar verbrieft, wofür die SPD als Partei bzw. wogegen sie nicht steht: Wortbruch und Toleranz von Extremen.

Auf der Seite der hessischen SPD ist derweil schon wie selbstverständlich der Wahlkampf für die Neuwahlen angelaufen. Zunächst, natürlich, mit Schmähung der anderen Parteien. Mit viel kann man sich bei der SPD ja zur Zeit nicht rühmen. Während wenigstens Eine einen Teil der längst fälligen Konsequenzen zieht und zurücksteckt (wenn auch noch nicht zurücktritt), trauern einige Verblendete noch dem Pokal nach, der nie verdient war.

Zum Schluss ein abrundendes Zitat einer Dame aus besagtem Y-Dunstkreis:
„Man ist fürs Regieren gewählt und nicht dafür, sein Gewissen zu untersuchen.“ (Quelle)

Kranke haben immer weniger Zeit für ihren Arzt

Heute morgen hatte ich das Vergnügen, etwas länger als üblich und beabsichtigt im Wartezimmer meines Allergologen zu verbringen. Vergnügen, weil ich zum Einen in Ruhe arbeiten konnte und zum Anderen, weil ich mit halbem Ohr einige schmunzeltaugliche Episoden mitbekommen habe, während ich im Stern einen Artikel über den Abstieg unseres Gesundheitswesens las.

Da war der, der nach guten zehn Minuten Wartezeit zum Tresen eilte und empört nachfragte, wie lange er noch warten müsse, er habe ja schließlich Termin. Und die, die mindestens ebenso empört äußerte, dass doch wohl die Kasse dies und jenes übernehmen müsse. Das ginge doch nicht! Punkt.

Da fragte ich mich, auf welchem Niveau wir eigentlich jammern. Ja, verglichen mit dem Zustand vor einigen Jahren bekommt man heute weniger Unterstützung von Kassen und Ärzte ertrinken unter der wachsenden Bürokratie. Aber was haben wir noch, verglichen mit noch etwas früher und anderen Ländern heute? Wie würden wir die Situation heute empfinden, kämen wir von unten, nicht von oben?
Und woher kommt eigentlich diese Erwartungshaltung, das die Kasse oder der Staat das schon regeln müsse, dieses Abgebenwollen aller Verantwortung über sich selbst? Beißt sich da die Stellvertreterdemokratie in den Grundsatz?